Im Bereich der Fliegerei hat man aufgrund von Unfällen, welche auf falsche Entscheidungen und schlechtes Teamwork zurückzuführen waren, bereits 1979 das Crew-Ressource-Management etabliert [NASA.1979]. Die Wirksamkeit von CRM wurde mehrfach untersucht und in unterschiedlichen Kontexten bestätigt [Fisher.2000].
CRM-Leitsätze
Das CRM ist in der Luftfahrt entstanden und wurde in den letzten Jahren vor allem im medizinischen Bereich sehr populär. Mittlerweile gehört es zum guten Standard im Rettungsdienst als auch im Krankenhaus im OP.
Für den medizinischen Bereich gibt es 15 Leitsätze (nach Rall/Gaba). Für den Bereich Feuerwehr dienen folgende Leitsätze als Orientierung.
- Achte auf gute Teamarbeit
- Kenne Deine Möglichkeiten
- Kommuniziere sicher und effektiv
- Beachte und verwende alle vorhandenen Informationen.
- Erkunde und kontrolliere die Situation regelmäßig
- Bilde rechtzeitig Reserven
- Verteile die Arbeitsbelastung
Achte auf gute Teamarbeit
Teamarbeit ist mit einer der wichtigsten Faktoren. Eine gute Teamarbeit zahlt auf andere Bausteine ein und hilft Fehler in anderen Bereichen zu kompensieren.
- Andere unterstützen und sich selber organsieren.
- Unterstütze die Leitungsfunktion.
- Sicherheit geht Alle an: See something – say something
Kenne Deine Möglichkeiten
Einsätze sind häufig von Zeitdruck geprägt. Es fehlt in der Regel die Zeit sich in Ruhe mit Geräten vertraut zu machen. Daher gilt es sich im Vorfeld mit seinen Möglichkeiten vertraut zu machen.
- Wo ist welche Ausrüstung verlastet?
- Wie wird diese sicher eingesetzt?
- Welche Optionen/Varianten hat man mit dem jeweiligen Gerät
- Wer kennt sich besonders gut aus und könnte helfen?
- Kenne auch Dein Einsatzgebiet. Schwerpunktobjekte, Besonderheiten etc.
Kommuniziere sicher und effektiv
- Klare Aufträge! Nichts in den „Raum“ werfen.
- Wer, was, warum, wie und wo?
- Absicht, Einheit, Auftrag, Mittel, Ziel, Weg
- Read-back, – Feedback
- Auftrag wiederholen und Rückmeldung geben wenn der Auftrag ausgeführt wurde
- 10 Sek. für 10 Minuten (Team-Timeout 10-4-10)
- Nutze Schemata wie SBAR, MELDEN
Beachte und verwende alle vorhandenen Informationen
Verwende Merkhilfen, Nachschlagewerke und Checklisten wie:
- Feuerwehreinsatzpläne, Laufkarten, Alarmdepesche
- Taschenkarten, Datenbanken
- Planentscheidungen
Erkunde und kontrolliere die Situation regelmäßig
Die Anwednung des Führungskreislaufes ist essentieller Bestandteil jedes Einsatzes. Er beinhaltet dabei auch die folgenden Punkte.
- Antizipiere und plane voraus.
- Plan B entwickeln
- Verhindere und erkenne Fixierungsfehler.
- Habe Zweifel und überprüfe genau (Double check, nie etwas annehmen).
- Setze Prioritäten dynamisch.
- Lenke die Aufmerksamkeit bewusst. (Wechsel zwischen Überblick und Detailanalyse)
Bilde rechtzeitig Reserven
- Fordere rechtzeitig Kräfte nach und bilde Reserven.
- Fordere Hilfe lieber früh als spät an.
- Nutze das Wissen und die Möglichkeiten Anderer und fordere Unterstützung rechtzeitig an.
- Mobilisiere alle verfügbaren Ressourcen (Personen und Technik).
Verteile die Arbeitsbelastung
- Augen auf für offene Aufgaben
- Abschnittsbildung
- Delegieren
CRM-Training
Jetzt gilt es diese Grundsätze oder Leiltlinien auch auszubilden und zu trainieren. Die folgende Grafik zeigt die verschieden Bausteine die dafür notwendig sind.
CRM-Training ist keine einmalige Veranstaltung in der man lernt wie man richtig entscheidet, sondern ein ständiger Prozess mit Wiederholungen und Anpassungen an Neuerungen. Die Inhalte sind nicht exakt festgeschrieben und bedürfen einer Anpassung bzw. Konkretisierung für den jeweiligen Anwendungsfall.
In Anlehnung an Anhang 1 zu JAR-OPS 1.965 berücksichtigt ein CRM-Trainingdie in Abbildung 1 gezeigten Bausteine, die in alle geeigneten wiederkehrenden Schulungsbausteine aufzunehmen und regelmäßig (längstens innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren) zu beüben sind. Damit wird schon deutlich, dass es nicht ein abgeschlossenes CRM-Training gibt. Die hier vorgestellten Inhalte und Übungen sind ständig zu beüben und in andere Schulungen zu integrieren.
Zum besseren Verstädnis folgen hier einige Erläuterungen zu einigen Bausteinen.
Training zur Entscheidungsfindung
Mit den verschiedenen Veröffentlichungen von Gary Klein zum RPD-Modell, welches im Wesentlichen auf Erfahrung beruht, kam natürlich die Frage auf, wie man aus unerfahrenen Einsatzkräften erfahrene Entscheider machen kann.
Pliske entwickelte dazu bereits 2002 ein Entscheidungstraining, welches erfolgreich im militärischen Umfeld und bei Feuerwehren eingesetzt wurde [Pliske.2001].
Das Entscheidungstraining wurde dazu entwickelt, Strategien von Experten zu identifizieren, um schneller und effektiver zu lernen [Ross u. a. 2007, S. 412]. Das Entscheidungstraining ist szenariobasiert und so angelegt, dass Anfänger die folgenden Punkte erfahren können:
- erforschen und erfahren der Grenzen ihrer eigenen mentalen Modelle, einschließlich der tatsächlichen Informationen, Gründe und Effekte von Zusammenhängen.
- praktisches Sehen und Erleben von cues und deren dazugehörigen Mustern, dem Entwickeln von Erwartungen, identifizieren von Zielen und typischen Reaktionen.
Vor allem, wenn nur begrenzte Möglichkeit besteht Erfahrungen zu sammeln, ist es wichtig, Entscheidungsprozesse im Nachhinein zu rekapitulieren und auf unkorrekte Annahmen und Einschätzungen zu überprüfen [Klein.2003].
Entscheidungsspiele (DMGs) sind einfache Simulationen von Vorfällen, die sich im Einsatzgeschehen ereignen könnten. Sie sollen simulierte, domänenrelevante Erfahrungen machen um den Teilnehmern zu ermöglichen, ihr Wiedererkennen zu üben und die Entscheidungskompetenz zu trainieren.
Die erweiterten Planübungen bieten den Rahmen für die Lehre und das Trainieren der beschriebenen Werkzeuge. Die Teilnehmer werden vor ein Dilemma gestellt, wo eine Entscheidung getroffen werden muss; normalerweise muss irgendeine Art von Aktion durchgeführt werden. Die Situation beinhaltet ein gewisses Maß an Ungewissheit, und die Teilnehmer haben nur ein paar Minuten, um ihre Vorgehensweise zu bestimmen. Anschließend wird ein Teilnehmer ausgewählt seinen/ihren Plan anderen Teilnehmern mitteilen, die dann die Positionen der Untergebenen im Rollenspiel nachspielen für diese Übung.
Einsatznachbesprechungen (ENB)
Die Nachbesprechung von Einsätzen erfüllt zwei Zwecke.
- Die Verbesserung von Erfahrungswissen und
- das Erkennen von Fehlern und Verbesserungsmöglichkeiten.
Dazu werden selbst erlebte Einsätze nachbesprochen oder es erfolgt die Teilnahme an Vorträgen zu besonderen Einsätzen wie sie z.B. von Landesfeuerwehrschulen angeboten wird.
Menschliches Fehlverhalten und Zuverlässigkeit
Jeder Mensch macht Fehler ist ein altes Sprichwort. Dies trifft auf alle Berufsgruppen zu. Bei Ärzten, Piloten und Einsatzkräften haben Fehler in vielen Fällen negative Konsequenzen bis hin zu Personenschäden. Die einen nennen es Fehler, die anderen Abweichungen vom Sollzustand oder Optimierungspotential. Egal wie sie es nennen, es sind immer unerwünschte Ereignisse, um die es geht. Vor allem in den Bereichen Luftfahrt, Medizin, Arbeitssicherheit haben sich in diesem Themenfeld seit Jahren die Begriffe Fehlermanagement und Fehlerkultur etabliert. Dabei geht es zum einen um den Umgang mit Fehlern (Fehlermanagement) und viel wichtiger um die Einstellungen der handelnden Personen zu Fehlern (Fehlerkultur). Fehlermanagement hilft nicht bei der Entscheidung selbst, sondern es ist oft die Nachbetrachtung einer Handlung mit dem Ziel den Fehler nicht nochmal zu wiederholen.
In der Aus- und Weiterbildung ist das Thema regelmäßig zu schulen, mit dem Ziel den richtigen Umgang (Fehler erkennen, offen ansprechen, Ursachen identifizieren Verbesserungen ableiten) mit Fehlern zu lernen
Stressmanagement
Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettungsdienst und anderen BOS sind nicht nur den chronischen Stressoren des Arbeitsalltages ausgeliefert, sondern sie werden durch die Tätigkeit mit einem hohen Maß an Stress konfrontiert. Dabei ist nicht jede Einsatzkraft gleichermaßen betroffen [Carmen C.Moran 2001, S. 356]. Manche Menschen scheinen mit Stress besser umgehen zu können als andere. Stress hat nicht nur negative Auswirkungen, sondern kann auch in der richtigen Dosis zu einer Leistungssteigerung führen und dabei helfen, sich auf das Wesentliche zu fokussieren und die Aufmerksamkeit zu verbessern [St. Pierre u. a. .2008], [Schaub.2008]. Basierend auf den Modellvorstellungen von Janis und Mann kommt Kallus ebenfalls zu dem Schluss, dass ein mittleres Ausmaß an Stress zu optimalen Entscheidungen führt [Kallus 1982, S. 4]. In der Literatur gibt es zahlreiche Definitionen von Stress [Cannon-Bowers 2000, S. 19]. Für die Betrachtung von Entscheidungen unter Stress ist die genaue Definition jedoch nur von untergeordneter Bedeutung. Entscheidender sind die Stressoren, die in einer solchen Entscheidungssituation wirken, die Auswirkungen von Stress auf Entscheidungen und mögliche Techniken, um mit Stress umzugehen. Vor allem bei komplexen Aufgaben wirkt sich Stress durch eine verminderte Performance der Einsatzkräfte besonders gefährdend aus [Carmen C.Moran 2001, S. 363].
Ein wesentlicher Störfaktor der also ständig auf den Entscheider einwirkt ist Stress [Ungerer.1999]. Dieser wirkt in allen Phasen (Erkundung/Optionen entwickeln/Entscheiden) des Führungsvorgangs.
Stress ist jedoch kontrollier- und beeinflussbar [Steingraber.2021] und man kann durch Training einen richtigen Umgang damit lernen und die negativen Folgen verhindern oder zumindest mildern.
Im Stressmanagement unterscheidet man in die drei Bereiche der Tabelle 3.
Tabelle 3 – Einteilungen im Stressmanagement
Stressprävention | Stresskontrolle | Stressbewältigung | ||
Wie kann man Stress verhindern? | Wie bekommt man Stress im Einsatz unter Kontrolle? | Wie kann man Stress nach einem Einsatz bewältigen? | ||
Maßnahmen, die eine potenzielle Stresswirkung verhindern oder abmildern sollen. | Maßnahmen und Techniken, welche in einer Stresssituation helfen die körperliche (z.B. Zittern, schnelle Atmung) und mentale (z.B. Angst, Gedankenkreisel) Erregung zu kontrollieren | |||
Erholsamer Schlaf, körperliche Aktivität, gesunde Ernährung, soziale Kontakte und Hobbys | ||||
Ausbildung und Drill, mentale Simulation, Stressimpfung |
Einen besonderen Stellenwert beim Training von Stressresistenz nimmt die Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstreflexion ein. Die Selbstreflexion ist wichtig, um Erfahrungen zu nutzen und daraus zu lernen. (Warum habe ich in der Situation so reagiert/entschieden? Wie würde ich es beim nächsten Mal machen?)
Kommunikation
Mit einer der häufigsten Ursache für Unfälle und ungeplante Zwischenfälle sind Kommunikationsfehler [Badke-Schaub.2012, Pilz.2018]. Da solche Fehler in der Luftfahrt, bei Militär und im Bereich Medizin schnell zu Toten führen, hat mich sich in diesen Bereichen seit Jahren mit Kommunikationsfehlern beschäftigt und Techniken entwickelt, um solche Fehler zu vermeiden.
Im Einsatz wird Kommunikation erschwert durch Lärm (man hört Nichts oder versteht Dinge falsch), durch Lichtverhältnisse (man wird beim Lesen geblendet oder sieht den Bildschirm nicht richtig, es ist dunkel und man kann Dinge schlecht erkennen). In der Corona-Pandemie war durch das Tragen von Masken die Gesichtsmimik und die Lippenbewegung nicht zu erkennen. Dies erschwerte oft die Kommunikation zusätzlich.
Im Zusammenhang mit Führung und Entscheidungen spielen Kommunikationsfehler in folgenden Bereichen eine Rolle:
- Befehlsausgabe
- Übermittlung von Lageinformationen
Um in Stresssituationen sicher kommunizieren zu können gibt es einige Empfehlungen.
- Aufbau und Länge der Sätze
- Nutzen von eindeutigen Phrasen
- Kommunikationsschemata wie MELDEN oder (I)SBAR
Satzbau und Gesprächsführung
In Stresssituationen sollen die Sätze nicht länger als fünf Sekunden dauern. Mehrere Sätze sind durch eine kurze Pause von zwei Sekunden zu unterbrechen, damit die Information vom Gegenüber auch verarbeitet werden kann. Ein wichtiger Aspekt ist auch sich vorher zu überzeugen, ob der Gegenüber aufnahmebereit ist. Dies klingt erstmal banal und selbstverständlich.
Praktisches Beispiel: Die Einsatzleiterin hört auf ihrer Helmsprechgarnitur gerade dem Einsatzabschnittsleiter (EAL) 2 zu und bekommt dabei von der Einsatzabschnittsleiterin 1 neue Lageinformationen mitgeteilt. Im schlechtesten Fall muss der EAL 2 seine Rückmeldung wiederholen, weil er nicht verstanden wurde und die EAL 1 muss ebenfalls die Meldung wiederholen.
Zwei-Wege-Kommunikation
Closed-Loop-, Two-way- oder Readback-Kommunikation. Alle Begriffe bezeichnen das gleiche Prinzip
Nur weil man etwas gesagt hat, bedeutet dies nicht das die Person Gegenüber die Nachricht auch richtig gehört und verstanden hat. Um dies zu gewährleisten, gilt die Regeln das man die Nachricht (z.B. den Befehl, die Lagemeldung) wiederholt.
Bei der Ausgabe eines Befehles soll dieser wörtlich wiederholt werden, um sicherzustellen das er korrekt verstanden wurde. Dies ist keine Neuerung und ist schon seit Jahren in den entsprechenden Führungsdienstvorschriften beschrieben [FwDV100.1999].
Kommunikation im Einsatz findet horizontal und vertikal statt. Diese Kommunikationsregeln gelten in alle Richtungen.
Wichtig bei der Kommunikation sind eine exakte Beschreibung, fachliche korrekte Vokabeln, um Missverständnisse zu vermeiden und vereinbarte Phrasen.